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Don DeLillo: Null K

Im Privatjet wird Jeffrey in ein abgeschiedenes Forschungszentrum in Zentralasien gebracht, in dem an einem alten Traum der Menschheit gearbeitet wird. Superreiche lassen sich hier einfrieren, in der unbestimmten Hoffnung auf ein zweites Leben. Sie wollen aufwachen in einer Zukunft, in der die Wissenschaft alle körperlichen Gebrechen neutralisieren kann und in der das Dasein auf einer höheren Bewusstseinsebene weitergeht. Hauptfinanzier des Projekts ist Jeffreys Vater, der Multimilliardär Ross Lockhart, der sein Geld unter anderem mit der Kalkulation von Katastrophen verdient. Ross’ geliebte zweite Ehefrau Artis ist schwer krank und kurz davor, ihre Reise zum absoluten Nullpunkt anzutreten. Jeffrey soll sich von seiner Stiefmutter Artis verabschieden und dem Vater, zu dem er ein distanziertes Verhältnis hat, beistehen. So verbringt er einige Tage in dieser eigentümlichen Einrichtung zwischen unzähligen verschlossenen Türen und Videoinstallationen, auf denen ständig Bilder von Krieg, Terrorismus und Zerstörung zu sehen sind.    

Anders als sein Vater führt Jeffrey ein relativ bescheidenes Leben ohne konkrete Zukunftspläne. Was für den Vater der nächste Schritt der menschlichen Evolution ist, erscheint ihm eher als moderner Turmbau zu Babel. Beeindruckt und fast ein wenig amüsiert beobachtet er den Ego-Trip einer Geldelite, die sich vom Rest der Welt wortwörtlich abkapselt und in eine Melange aus Wissenschaft Religion und Kunst abtaucht. 

Null K von Don DeLillo ist weder Warnung noch Versprechen, sondern vielmehr ein Fragenkatalog an unsere Zeit: Ist der unbedingte Glaube an die Wissenschaft unsere neue Religion? Kann und darf man sich freikaufen von Schmerz und Verlust? Wozu verpflichtet Fortschritt? 

  

Empfohlen von Taja Rüger

Don DeLillo: Null K

288 Seiten, ISBN: 978-3-462-04945-9, 20€, Kiepenheuer & Witsch

Erschienen am: 13.10.2016