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Christian Kracht: Die Toten

Selten ist es mir so schwergefallen, in Worte zu fassen, warum mich ein Buch so nachhaltig begeistert wie Christian Krachts aktueller Roman. Vielleicht liegt es daran, dass wir bei der Einordnung und Beschreibung von etwas Neuem auf das zurückgreifen, was wir kennen, nach Verwandtschaft suchen und es in Beziehung mit dem Bekannten setzen.

Krachts Buch aber ist ganz und gar eigenartig.

Da ist zunächst die Handlung: In den frühen Dreißiger Jahren reist der Schweizer Filmregisseur Emil Nägeli nach Japan, um mit dem Geld der Berliner Ufa einen Gruselfilm zu drehen. Dort trifft er auf Masahiko Amakasu, der Deutsch spricht, und sich aus Berlin Beistand erbeten hat, um die amerikanische Filmindustrie und den Tonfilm zurückzudrängen. Wir erfahren in Rückblenden, wie diese Männer wurden, was sie sind und was sie schließlich zusammenführt. Im weiteren Verlauf des Romans treten auf: Charlie Chaplin, die junge Filmschauspielerin Ida, die Filmkritiker Lotte Eisner und Siegfried Kracauer, Fritz Lang, ein Mordkomplott um den japanischen Kaiser, ein junger Offizier, der rituellen Selbstmord begeht und dabei gefilmt wird, und weiteres eigenartiges Personal.

Dann ist da Krachts Sprache: poetisch, bisweilen umständlich, adjektivverliebt, unpräzise trotz ihrer Detailversessenheit und an einigen Stellen nicht ohne weiteres verständlich, wenn beispielsweise japanische Bergriffe nicht übersetzt werden.

Schließlich stellt uns auch das Arrangement der Handlung auf die Probe: Unterteilt in drei Teile, zusammengesetzt aus Rückblenden, Passagen im Präsens, Zusammenschnitten und Überblendungen können wir uns nie sicher sein, wo wir uns eigentlich gerade befinden. Hinzu kommt die abenteuerliche Mischung aus Abbildern realer Personen und fiktivem Personal.

Wie sich also diesem Text nähern? Ich sage: Im Kinosessel zurücklehnen, alles außerhalb der Leinwand ausblenden, sich von der Kamera führen lassen und erst einmal überwältigen lassen von diesem furios arrangierten Filmroman. Und ihn dann noch einmal lesen. Und noch einmal.

 

Empfohlen von Maja Kuß

Christian Kracht: Die Toten

224 Seiten, ISBN: 978-3-462-04554-3, 20,00€, Kiepenheuer & Witsch

Erchienen: 08. September 2016