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Toni Morrison: Gott hilf dem Kind

Beim Lesen dieses schmalen Buches wird man zunächst überrascht von Toni Morrisons ökonomischer Erzählweise.  Die Autorin ist ganz ihrem Thema treu geblieben und hat ihre opulente Geschichte auf knapp 200 Seiten in einer Welt gesponnen, in der es leider weiterhin von Bedeutung ist, mit welcher Hautfarbe man geboren wurde.

Es geht um Lula Ann Bridewell, später nur Bride genannt, eine junge, erfolgreiche und bildschöne Frau, der es zunächst im Leben an nichts zu mangeln scheint. Doch bereits das erste Kapitel, welches aus Sicht ihrer Mutter Sweetness erzählt wird, deutet an, dass sich hinter diesem ersten Eindruck viel mehr verstecken muss.

Lula Ann "war so schwarz, dass sie mir Angst machte. Mitternachtsschwarz, sudanesisch schwarz.“, sagt ihr Mutter, selbst relativ hellhäutig. Sie lässt ihre Tochter daher auch von Anbeginn an spüren, dass sie auf der Welt so nicht gewollt wird. Als Bride dann später scheinbar grundlos von ihrem Liebhaber verlassen wird, tritt ihre Trauer über die Trennung eine Welle an Gefühlen der Unzulänglichkeit und Schuld aus ihrer Kindheit wieder los.

Des Weiteren begleitet der Leser Lula Ann bei ihrem Versuch, ihr aus den Fugen geratenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Toni Morrison zieht einen gekonnt durch den Perspektivwechsel und mit viel Empathie in die Erzählung hinein. Dass sie es in der Kürze des Buches schafft, diese Vielfalt an Episoden und Erzählperspektiven stringent miteinander zu verknüpfen, ist große Erzählkunst.

 

Empfohlen von Karo

Toni Morrison: Gott hilf dem Kind

208 Seiten, ISBN:  978-3-498-04531-9, Rowohlt Verlag, 19,95€

Erschienen am 22. April 2017