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Siri Hustvedt: Die gleißende Welt

„Lesen ist schöpferisches Zuhören, das den Lesenden verändert.“

 

„Alle intellektuellen und künstlerischen Unterfangen, sogar Witze, ironische Bemerkungen und Parodien, schneiden in der Meinung der Menge besser ab, wenn die Menge weiß, dass sie hinter dem großen Werk oder dem großen Schwindel einen Schwanz und ein paar Eier ausmachen kann.“ Das ist Harriet Burdens bittere Erkenntnis. Als die New Yorker Künstlerin nach dem Tod ihres erfolgreichen Kunsthändler-Ehemanns die Schickeria Manhattans verlässt und in einen heruntergekommenen Teil Brooklyns übersiedelt, beginnt sie, seltsame Geschöpfe, amorphe Totems, zu machen. Als sie ihre Werke ausstellen möchte, bedient sie sich eines Strohmannes, der –statt ihrer- den Künstler „spielt“. Die Ausstellung wird ein Erfolg und die Kunstwelt beginnt, sich für den jungen Mann zu interessieren. Es folgen noch zwei weitere Ausstellungen, bei denen sich Harriet ebenfalls männlicher Masken bedient. Beide werden vom Publikum begeistert aufgenommen, so dass Harriets Rache an der Kunstwelt eigentlich perfekt sein müsste.

 

Erzählt wird die Geschichte von mehreren Figuren. Die Kinder bieten ihre Version, die Freundin, der Liebhaber, ein Kunstkritiker…ein polyphones Stimmkonzert, das jeder Figur einen eigenen Ton verleiht und dadurch eine Harriet kreiert, die nicht statisch ist und deren Bild in den Augen der anderen variiert.

 

Dieses Buch ist wirklich mein Highlight des Jahres. Es ist ein intelligentes, den Leser herausforderndes Stück Literatur, das ich –obwohl Lebenszeit knapp ist- nochmals lesen werde. Mir ist nachträglich aufgefallen, dass sich die Kunstwerke im Laufe des Romans verändern. Ob das stimmt? Ich werde es herausfinden, heute Abend noch.

Siri Hustvedt: Die gleißende Welt. Rowohlt. Euro 22,95

Empfohlen von Kirsten Willeken